Der Kunde will sparen, aber für den Einrahmer, ist es niemals ein gutes Geschäft
Es passiert ziemlich oft, daß der Kunde einen Rahmen zum
"Reparieren" bringt. Gewöhnlich handelt es sich um alte und
häßliche Rahmen, die heruntergefallen sind oder abgelöste
Ecken haben.
Andere Male bringt der Kunde einen alten Rahmen und bittet,
ihn an ein anderes Bild anzupassen.
"Verkleinern Sie ihn mir ein bißchen" sagt die Kundin, als ob sie
von einem Rock oder von einer Bluse spräche.
Zum Glück kommt es seltener vor, dass der Kunde möchte,
daß wir den Rahmen "erweitern”.
Natürlich möchte der Kunde “so wenig wie möglich” ausgeben.
Für den Einrahmer ist aber die Reparatur oder die Anpassung
eines Rahmens niemals ein gutes Geschäft.
Um einen Rahmen zu reparieren, muß man ihn vor allem
auseinandernehmen: man muß das Glas herausnehmen, oft
das Bild vom Passepartout abtrennen, die vier Leisten
auseinandernehmen, die Nägel und Klammern entfernen, die
Einzelstücke an den Enden leicht beschneiden, damit die
Oberfläche wieder glatt und geeignet für die Leimung und
Klammerung wird; und dann endlich muß das Bild neu montiert
werden. Man benötigt also eine längere Bearbeitungszeit, als
man benötigen würde, um den Rahmen vollkommen neu zu
machen.
Außerdem verliert der Einrahmer dabei den Materialgewinn,
den er bei einem neuen Rahmen hat. Wenn wir ein Bild
einrahmen, verkaufen wir dem Kunden nicht nur unsere Arbeit,
sondern auch das Material, d.h. die Leisten, das Glas, das
Passepartout.
Wie verhält man sich also? Das hängt vom Einzelfall ab.
Als erstes werden wir dem Kunden mitteilen, daß es ohne
weiteres möglich ist, den Rahmen zu reparieren, aber ihn auch
darauf aufmerksam machen, daß die Reparationskosten gleich
oder sogar höher sind, als die eines neuen Rahmens.
Dies entspricht, in der Tat, der Wahrheit. Es könnte allerdings
sein, dass der Kunde glaubt, daß wir die Gelegenheit nutzen
wollen, um mehr zu verdienen und behauptet: "Aber wie? Es
genügt doch ein Nägelchen in den Ecken, warum ist das so
teuer?”.
Wir müssen der Versuchung widerstehen, dem Kunden
vorzuschlagen, die Nägelchen doch selbst einzuschlagen und
uns zwingen, Geduld zu haben und ruhig zu bleiben.
Denken wir daran, daß eine Schlechtbehandlung des Kunden
niemals ein gutes Geschäft ist, weil die negative Propaganda,
die er uns machen würde, viel schädlicher sein könnte, als der
Verlust des Kunden selber.
Wir könnten versuchen, zu sagen, daß wir bei unserer
beruflichen Seriösität uns nicht in der Lage sehen,
dahingehuschte Arbeiten zu machen.
Es muss ihm klargemacht werden, daß die Zeit für die
Reparierung eines Rahmens entschieden höher ist, als für die
Herstellung eines neuen Rahmens, weil auch die Zeiten für das
Auseinandermontieren und der Neuanpassung der Leisten zu
berücksichtigen sind.
Um noch überzeugender zu sein, könnten wir sagen: "Es ist
genauso wie für die Häuser: die Renovierung eines alten
Hauses kostet mehr als der Bau eines neuen Hauses".
Mit einem gewissen Taktgefühl, um nicht die Empfindsamkeit
des Kunden zu verletzen, könnte man ihn auch auf die
Häßlichkeit des alten Rahmens aufmerksam machen: "Ich
würde Sie eher davor abraten, diesen Rahmen zu reparieren.
Meiner Meinung nach, ist der Rahmen für den heutigen
Geschmack nicht mehr aktuell. Er hat einen Stil, der seinerzeit
modern war, aber heute überwunden ist. Er ist ausserdem mit
Purpurfarbe vergoldet, während man heute eine Goldfolie
verwendet. Für den gleichen Preis der Reparierung könnten
Sie einen neuen Rahmen haben mit einer entschieden besseren
Qualität.”
Dieser Satz ist natürlich an die jeweilige Situation anzupassen.
Wann ist es nicht ratsam
Es gibt drei Fälle, in denen die Ersetzung eines alten Rahmens
durch einen neuen Rahmen nicht ratsam ist:
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Der Kunde hat eine Serie von gleichen Rahmen und möchte in diese Serie keinen unterschiedlichen Rahmen einreihen: er ist bereit, die Reparierung teuer zu bezahlen, lediglich um die Serie nicht zu ruinieren. In diesem Fall könnten wir aber dem Kunden vorschlagen, alle Rahmen der Serie zu erneuern: wir könnten ihm ein günstiges Angebot unterbreiten in Anbetracht dessen, daß die Herstellung einer Serie von gleichen Rahmen eine Zeitersparnis in der Fabrikation mit sich bringt. |
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Der zu reparierende Rahmen hat einen erheblichen Wert. Es kann sich um einen antiken Rahmen handeln, oder um einen mit Feingold vergoldeten Rahmen, usw. In diesem Fall handelt es sich um eine Restaurierung und nicht um eine Reparierung. Nicht immer besitzt der Einrahmer Befähigung und Erfahrung, eine Restaurierung vorzunehmen, hier wäre die Zuhilfenahme eines Restaurators ratsam. |
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Der Rahmen hat einen Liebhaberwert. Wenn der Rahmen ein Geschenk seitens einer lieben Person darstellt oder für den Kunden eine Erinnerung an glückliche Augenblicke ist, ist es nicht ratsam, eine Ersetzung vorzuschlagen. In diesem Fall müssen wir den Rahmen reparieren, auch um dessen Aussehen nicht zu verändern, das er vor der Reparierung hatte. |
Der Preis
Wie den Preis des Reparierens berechnen? Dieses ist der
delikateste Punkt des Problems. Es existiert keine Preisliste, an
der man sich orientieren kann, da die enormen
Unterschiedlichkeiten der Fälle es nicht erlaubt, sie zu
standardisieren.
Die Reparierung könnte einfach in der Anbringung von
Nägelchen in den Ecken bestehen, oder in der Ersetzung des
Glases oder des Passepartouts; oder sie könnte in der
vollständigen Neumachung des Rahmens bestehen.
Die logichste Methode besteht darin, die Kosten des
verwendeten Materials und die benötigen Arbeitszeitkosten zu
summieren. Auf die Gesamtsumme müssen wir natürlich noch
unsere Gewinnspanne hinzuschlagen.
Wenn der Kunde zuvor darüber informiert worden ist, daß die
Reparierung stets teuerer ist, als er sich vorgestellt hatte,
dürfte es im Augenblick der Aushändigung zu keinen
Reklamationen kommen.